Projektseite Ronneburg

HANAUER STRASSE, RONNEBURG
Private Bauherrschaft

Heute noch ist die historische Hofstelle an der Hanauer Straße in Neuwiedermuß unter den älteren Bewohnern Ronneburgs als Uffelmann’s bekannt, die hier Ende des 19. Jahrhunderts ein Gasthaus eröffneten. Im Ursprung beschreibt das Ensemble ein landwirtschaftliches Gut mit angeschlossenem Gasthaus, welches in der Vergangenheit immer wieder erweitert und umgebaut wurde. Das Wohnhaus wurde in seiner heutigen Form um 1911 vom nachfolgenden Gastwirt Karl Heyn errichtet. In den 30er Jahren folgte der großzügige Saalbau; er diente dem Ort als Tanzsaal und Dorfgemeinschaftsraum. Später übergab Karl Heyn Gast- und Landwirtschaft an seinen Sohn Fritz. Zur Gaststätte gesellte sich noch eine Metzgerei. Doch Fritz Heyn verstarb unerwartet früh, seine Frau erkrankte schwer und der Vormund der noch minderjährigen Töchter sah sich gezwungen den Hof zu verkaufen. Mit dem Verkauf der Hofstelle an die Großeltern der heutigen Eigentümer kam die Gastwirtschaft 1972 zum Ende, die Landwirtschaft wurde im Nebenerwerb fortgeführt und das Haupthaus und Teile des Saalbaus dienten der Familie mit sieben Kindern fortan als großzügiges Wohndomizil. Heute leben die Großeltern im Obergeschoss des Fachwerkbaus mit massivem Sockel. Die großzügigen Nebengebäude standen vor notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen und trugen kaum mehr zu einem Nutzen bei, den nun die an die Enkelin und ihren Mann mit den beiden Kleinkindern übergeben wurde. Die heute im Erdgeschoss wohnende, junge Familie wollte mit unserer Beauftragung nun ein neues Kapitel für den Hof einleiten, welches dessen Geschichte als landwirtschaftliches Gut nicht vergessen sollte und gleichzeitig die Tradition als Familienmittelpunkt bewahren und erneuern.
Die Hofstelle bestand aus dem Wohnhaus mit zwei Wohneinheiten, dem Saalbau sowie der Scheune samt Anbauten, die in erster Linie Nebennutzungen beheimatete. Unsere Planung sah vor das Ensemble in historischer Körnung einem gemeinschaftlichen, generationenübergreifenden Wohnen zuzuführen. Ziel der Planung war die Aufspaltung der großen Volumina und die damit verbundene Sicherung des Bestandes unter Erhalt der Identität für die Familie und auch den Ort Neuwiedermuß, für den wir das Gasthaus samt Hof als prägendes Element am Ortseingang sehen. Unser Planungskonzept ließ sich in fünf Bauabschnitte unterteilen:
  1. Abbruch des Saalbaus, Baujahr 1930 ff, Gebäudeklasse 2, 1 Vollgeschosse
  2. Sanierung der historischen Scheune inkl. Teilrückbau, Baujahr 1800 ff, Gebäudeklasse 2, 1 Vollgeschoss + Dachgeschos
  3. Neubau einer ergänzenden Wohnscheune, Gebäudeklasse 2, 1 Vollgeschoss + Dachgeschoss
  4. Erweiterungsneubau, Gebäudeklasse 2, 1 Vollgeschoss + Dachterrasse
  5. Sanierung des Wohnhauses, Gebäudeklasse 4, 2 Vollgeschoss + ausbaufähiges Dachgescho
Die Entscheidung für einen Abbruch wird in unserem Büro nicht leichtfertig getroffen, doch tatsächlich ließ sich dieser sicher gewissermaßen einzigartige Bau mit einem freispannenden Tragwerk und Gewölbedecke nicht einfach so umnutzen. Zu dem riesigen Volumen auf einer Grundfläche von 13 x 17 Metern fanden wir mit dem Bau unterschiedliche statische Aufgabenstellungen, gepaart mit mangelhafter Belichtung und einem irrsinnigen Wartungsstau dem tatsächlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Erhalt in keiner Relation zu einem Neubau gepaart mit vorherigem Abriss stand. Durch die Lage im Kreis und der Entfernung zu Frankfurt sowie einem Überangebot leer stehender Scheunen im Ort gab es wohl keine alternative Nutzung, die einen Erhalt gerechtfertigt hätte, weshalb man sich leider von dem Objekt trennen musste.

Ganz im Gegenteil zum Saalbau stand der Erhalt der historischen Scheune an der anderen Seite des Hofes nie zur Diposition. Aufgrund des Baualters, der originalen Substanz und dem identitätstiftende Faktor für die Liegenschaft entschloss man sich zum Rückbau wirtschaflticher Anbauten sowie zur Restaurierung der alten Dame. Sie beheimatet heute neben Fahrrädern und Autos Lagerflächen und Heizung. Durch den Abbruch der Anbauten samt dem darüber befindlichen fremden Schleppdach wurde das historische Profil der Scheune wieder hergestellt. Die freigewordenden Flächen dahinter schaffen Platz für den geplanten Bauerngarten sowie Terrassenflächen, verbessern die Belichtung der Scheune und bevorzugen damit mögliche Nachnutzungen. Auf der vorhandenen Grundfläche von 8,50 x 9,00 Metern ist ohne Schwierigkeit die Umnutzung zu Wohnen denkbar, betrachtet man das Ausbaupotential des Daches sowie die Möglichkeiten des unterstützenden Erweiterungsneubaus in der Mitte der Anlage.

Durch den Abbruch des Saalbaus verlor die Hofstelle ein großes Volumen. Zum Erhalt der städtebaulichen Topografie sahen wir es als Notwendigkeit, wieder ein angemessenes Volumen in die Konzeption des Hofes zu integrieren, welches dem großen, an der Straße stehenden Wohnhaus schließlich seine Rechtfertigung zurückgeben muss. Unsere Planung sah vor eine eigenständige „Wohnscheune“ als ergänzenden Partner zur historischen Scheune in die freiwerdende Fläche zu integrieren. Der Ersatzneubau orientiert sich in Kubatur, Ausrichtung sowie Dachneigung an der bestehenden Scheune. Die Fassade wurde als Putzfassade geplant, in deckendem Ton. Die Dacheindeckung wurde als kleinteilige Ziegeldeckung in Naturrot geplant.
Erschlossen wird das Gebäude über die bisherige Zufahrt zum Saalbau. Im Erdgeschoss finden sich neben Garderobe und Gäste-WC die großzügige Wohnküche, welche noch ein vorläufiges Leben als "Opa´s Garage" erfährt, samt Wohnzimmer. Über eine Treppe erfolgt die Erschließung das Dachgeschosses mit einem Badezimmer und zwei Schlafzimmern. Der Neubau wurde als Holzständer-Fertigbau konzipiert, gegründet auf einer massiven Bodenplatte. Die Gestaltung des Gebäudes ist stark von dem Bild historischer Scheunen geprägt. Und sollte wieder ein Scheunentor erhalten sowie auf Dachaufbauten wie Gauben etc. verzichten.

Durch den Abbruch des Saalbaus und dasa Abrücken des Neubaus an die Grundstücksgrenze kam es in der Mitte der Hofstelle zu einer Freifläche, die historisch immer der Treffpunkt der Familie war. Durch Einbauten in den großen Saalbau fand hier eine große Tafel Platz, an der alle Familienmitglieder zusammenkommen konnten. Die heutige Hausherrin hatte zu Beginn der Entwurfsphase den Wunsch geäußert, diese Tradition in die Zukunft transportieren zu wollen, weshalb die Planung vorsieht, dass durch den Bau eines flachen Pavillons genau in die Mitte aller traditionell geprägten Häuser eine geschützte moderne Gemeinschaftsfläche entsteht. Diese dient in erster Generation als erdgeschossige Erweiterungsfläche des Wohnhauses, welcher Sie auch heute schon zugeordnet ist. Doch unser Konzept wagt auch einen Blick in die Zukunft, in der alle drei Gebäudeteile weiterhin mehrere Generationen einer Familie beheimaten; das Haupthaus wird wieder Einfamilienwohnhaus und die Scheune als Altenteil umgebaut. Mit dem Erweiterungsneubau in der Mitte stünden allen eine zentrale Gemeinschaftsfläche zur Verfügung, die durch eine großzügige Terrasse davor, sowie einer Dachterrasse darauf immer einen Treffpunkt für Familie geben kann, ohne dabei die Individualität einer jeden Einheit zu beschneiden. Den Erweiterungsneubau sehen wir also als zeitgemäße Interpretation einer großen Familientafel.
Der Erweiterungsneubau wird wie die neue Wohnscheune von der alten Zufahrt zum Saalbau erschlossen. Im Erdgeschoss finden sich neben einer Garderobe einzig ein großer Wohnraum mit vorgelagerter Terrasse. Konstruktiv wurde der Bau ebenfalls als Holzständerbau konzipiert, der sich auf den ertüchtigten Bestand gründet. Die Gestaltung des Gebäudes ist im Kontrast zu den traditionellen Bauten modern, offen transparent durch großzügige Glasflächen geprägt. Die auf dem Flachbau konzipierte Dachterrasse wird von den Obergeschossen der Anrainer erschlossen, denen der Bau als zusätzliche Fläche dienen soll.

Durch den Abbruch des Saalbaus ist das Haupthaus, der Fachwerkbau auf massivem Erdgeschoss, vor allem auf dessen Rückseite in Teilen zu sanieren und entsprechend zu ertüchtigen. Geplant war der Austausch der rückseitigen Fenster, sowie die Bekleidung des straßenabgewandten Giebels mit Boden-Leisten-Schalung als Wetterschutz. Aufgrund dessen wurde auch der Dachüberstand am Ort um einen halben Ziegel vergrößert. Durch die Maßnahme war sicherzustellen, dass der historische Gebäudebestand nicht kurzfristig nach großer Bauanstrengung wieder zu sanieren ist. Der Gebäudebestand des Haupthauses scheint zwar in einem guten Zustand, doch die Neubauten sollen von Sanierungsmaßnahmen möglichst lange verschont bleiben. Die drei freien Fassadenseiten werden wohl zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal umfangreich zu sanieren sein. Den im Obergeschoss wohnenden Großeltern sollte eine Sanierung jedoch noch gut zu ersparen sein.
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